Sonntag, Januar 08, 2006

Ferien an PC und Schreibtisch – arme Lehrer, oder doch nicht?

Ja, morgen fängt die Schule wieder an und ja, ich habe in zwei Wochen Ferien so gut wie nichts unternommen, nur eine einzige Freundin besucht, die ich seltener sehe, war nicht im Kino, nur ein einziges Mal in ner Kneipe (im Pianissimo - da war es aber sehr nett, ich habe Günther unglaublich viel wirres Zeug erzählt und dort Marga, Uschi und die ganze Tanztruppe getroffen, die mir sofort um den Hals gefallen sind, auch mal nett). Wenn ich mal frische Luft brauchte, war ich in Billig- und Lebensmittelläden kurz einkaufen, habe aber nie mal einen Spaziergang gemacht. Dafür habe ich eine riesige Liste abgearbeitet: Die Schulhomepage gründlich überarbeitet, sie bei einem Wettbewerb angemeldet, die Fachschaftsseiten für beide Fächer erstellt, 10 längere JAVA-Programme von Schülern und drei Klausuren korrigiert, zwei Kissen bestickt, ein Bild gemalt, dieses Blog erstellt, meinen Schreibtisch aufgeräumt, Ketten produziert, 100 neue Postkarten über meinem Bett angeheftet, die DELF-Anmeldungen vervollständigt und abgeschickt (und das ist längst nicht alles, der Rest fällt mir bloß gerade nicht ein, die Liste wurde bereits entsorgt), von den Aktivitäten rund um Weihnachten, den zahlreihen Mahlzeiten und Maschinen Wäsche mal ganz zu schweigen. An Geselligem haben wir nur das ganz Normale gemacht, was wir in der Schulzeit auch machen: Mal zu Andrea rüber oder zu meinen Eltern gehen, dort Doppelkopf oder hier mit Uwe und/oder Lutz Skat oder Doppelkopf spielen, DVDs ansehen ... Halt, etwas Zwischenmenschliches habe ich schon gemacht: 90 Minuten mit meiner Tochter geskypet und ganze 250 Minuten mit Steffi telefoniert. Vorgestern sprach ich mit meinem Kollegen D, den ich zum wiederholten Male per eMail zu mir eingeladen hatte, woraus seit Monaten nichts wird. Er berichtete, auch auf keiner Silvesterparty gewesen zu sein und abgesehen von zwei Tagen, an denen er Besuch aus Frankreich hatte, nur am Schreibtisch gesessen zu haben („ ... war schon seit mehreren Tagen nicht mehr vor der Tür ...“). Während ich also da an den elenden JAVA-Programmen saß und teilweise lange rumprobierte, bis ich die Fehler fand, während mein Sohn mit Uwe in der Bodega feist essen ging, dachte ich „Wie arm, wir Lehrer doch sind.“. Vor allem, die Tatsache, dass ein 63jähriger Kollege, der die Abiturvorschläge doch eigentlich aus der Tasche ziehen können müsste, mit eben diesen Vorschlägen und den Klausur-Korrekturen (zum zweiten Mal nun nach den Vorgaben zum zentralen Abitur 2007) sich immer noch so sehr die Ferien versauen lässt. In dieser Stimmung also quälte ich mich förmlich durch die letzten JAVA-Programme, räumte noch schnell einige liegengebliebene Unterlagen in einem „Jetzt muss ich aber endlich mal hier fertig werden.“-Rausch zusammen und malte mir schon aus, dass ich heute dann gar nichts mehr „tun“ würde, vielleicht endlich mal spazieren ginge und bestenfalls das Geburtstagsgeschenk bearbeitete.
So, und nun ist der Sonntag da. Das Wetter ist spaziertauglich und ich kann tun und lassen, was ich will. Und was tue ich jetzt? Ich bin tatsächlich bereits um neun aufgestanden, habe zwei Stunden an dem Geschenk gewerkelt, sitze jetzt hier und schreibe diese Zeilen, werde vielleicht gleich noch kurz spazieren gehen, aber danach habe ich mir vorgenommen, die mündlichen Noten vorzubereiten und doch noch etwas an den Fachschaftsseiten zu arbeiten, denn eigentlich ist es doch schön, es sich nett zu machen, Kerzen an und so, und dann ganz in Ruhe zu arbeiten. Und morgen kommen wir ja endlich wieder vor die Tür und mit Schülern in Kontakt. Auf viele davon freue ich mich und auch auf den Kollegen D. und seine zynischen Kommentare. Wollte sich da jemand über den Lehrerberuf beschweren?