Freitag, Februar 17, 2006

Und wieder lasse ich mich drängen ...

Eigentlich wollte ich hier am Rechner was ganz Anderes tun (Unterricht vorbereiten – was dann wohl mal wieder spät wird), aber die Mails musste ich dann doch lesen und nun möchte ich kurz auf die neuesten Kommentare reagieren.
Ich glaube, dass hier vor allem die Lehrerperspektive völlig verkannt wird – im Sinne von „nicht verstanden“. Lehrer beobachten ihre Schüler sehr genau – wie auch umgekehrt. Die Lehrer allerdings haben einen Erziehungsauftrag und sollen die Schüler auf das Leben vorbereiten. Sie beobachten also und versuchen abzuschätzen, was noch möglich ist, wie viel man von dem Schüler verlangen kann etc. Ich erlebe es so, dass ein sehr hoher Anteil der Lehrer diesen Auftrag sehr ernst nimmt und sich bemüht, in sehr vielen Bereichen ein Vorbild zu sein, Schüler und Eltern auf Defizite aufmerksam machen, die Schüler zu fördern etc. Das schließt sehr vieles ein, z.B. das Aufheben von Müll, das Kommentieren oder Eingreifen bei Streitigkeiten, die Höflichkeit. Da also beobachten wir also zwangsläufig ständig. Außerdem müssen wir den Schülern etwas beibringen, z.B. das erwähnte Drachenviereck (oder war es eine Raute?) sauber zeichnen zu können, sportliche Übungen zu vollbringen oder wie in meinem Fall z.B., Schülern die möglichst korrekte Aussprache der verschiedenen französischen Nasale. Diese – Ach-ist-doch-sowieso-egal-Ich-mach-es-eben-wie-ich-will-Mentalität denke ich, macht da nur sehr begrenzt Sinn. Wenn die Nasale nicht zu unterscheiden sind, gibt es zahlreiche Missverständnisse. Wer da einen sehr großen Überbiss hat oder schon Probleme mit der deutschen Aussprache, ist doch klar, dass der Probleme hat. Wir sehen also tatsächlich zu, dass wir dahin beraten, dass das eine oder andere therapiert wird. Lehrer beobachten auch, weil sie die Schüler regelmäßig bewerten müssen. Sie müssen also möglichst erkennen, worin die Ursachen eines bestimmten Verhaltens oder von Lernproblemen liegen. Ich weiß echt nicht, was also daran so falsch ist, das mal zu benennen, was man da beobachtet. Dass Schulen ihre Schüler zu diesen Benimm-Kursen schicken, zeigt doch, dass zumindest ein Teil auch von anderen als wichtig erachtet wird.
Ja, und wenn man dann als Lehrer was bewirken möchte, dann muss man Empathie aufbringen und das tun auch die allerallermeisten. Sie lieben ihre Schüler, aber nicht so nach dem Motto „An denen ist alles gut so wie es ist.“, sondern, so dass sie tatsächlich etwas unbarmherzig sind und hier und da mal jemanden triezen, damit er sich entwickelt.

Jaaaa, klar, du kannst ganz toll mit vier Fingern tippen und dass dein Chef nicht meckert, ist ein klares Indiz dafür, dass das total okay ist. DIE Argumentation kenne ich. Sehr aufschlussreich auch, diese Information im Zusammenhang zu betrachten, da wir ja alle wissen, dass du deine ellenlangen Kommentare gerne auch während der Arbeitszeit tippst. Wenn wir dann noch die Zeit hinzu rechnen, die du dafür benötigst, Weblogs zu lesen, die dir eigentlich gar nicht gefallen, will ich mal hoffen, dass du keine tariflich geregelte Arbeitszeit hast und zu festen Zeiten den Griffel aus dem Pfötchengriff fallen lässt.

Ich bin unbarmherzig und ihr? Ich ziehe mich hier durchaus nackt aus und zeige ne Menge und mit ein bisschen Empathie hätte man nach halbwegs aufmerksamer Lektüre vielleicht erkennen können, dass die „Gilmore Girls“-Liebe diverse Gründe/Anlässe hat:
  1. hat meine Tochter die immer geguckt, ohne die ich nicht auf diese Sendung zu dieser Tageszeit gekommen wäre. Ich gucke die Serie also aus Nostalgie-Gründen und weil ich ohne meine Tochter mehr Zeit habe und sie sowieso zu einer Zeit läuft, wo ich meinen absoluten Tiefpunkt habe.

  2. handelt es sich um eine alleinerziehende Mutter, die sich u.A. stark an ihren Eltern reibt – es gibt also zahlreiche Parallelen zu meinem Leben, ein wesentlicher Grund, warum mich diese Serie anspricht. Sie lässt mich wirklich über vieles Nachdenken, was wirklich sehr sehr ähnlich schon in meinem Leben passiert ist.

  3. Ich habe hier bereits erwähnt, dass allein die Deko und die Klamotten es wert sind, diese Sendung zu verfolgen. Frau bräuchte theoretisch keinerlei Mode- und Einrichtungszeitschriften mehr.

  4. sind vor allem die Dialoge überhaupt nicht so dumm. Das ist ja gerade das Besondere daran, dass in den extrem schnell gesprochenen Dialogen so dermaßen viele Spitzen stecken, dass es gelegentlich echt anstrengend ist (vor allem, wenn ich es auf Englisch sehe, habe ich arge Mühe mit den zahlreichen Anspielungen).

Ach übrigens, meine Eltern haben sich noch nie eine amerikanische Fernsehserie über mehrere Folgen angesehen (höchstens deutsche Qualitätsprodukte in Episoden wie z.B. „Heimat“), daran liegt’s also nicht. Da sieht man aber tatsächlich, dass ich Eltern habe, die auf Details geachtet haben und es noch tun.

Mir drängt sich irgendwie der Verdacht auf, dass die Serie „Feinmotorik – Koordination – Kulturtechniken“ auch deshalb so kritisch aufgenommen wird, weil es außerdem eine Serie „Dinge, die ich nie kaufen würde“ gibt. Letztere wurde auch als überhebliche Kritik begriffen, was aus mir zusammen eine sehr unbarmherzige, arrogante Besserwisserin macht, die außerdem noch fürchterlich unzufrieden mit sich ist. Eigentlich war auch die Serie rein beschreibend gedacht. Jeder hat bestimmte Einkaufsgewohnheiten, dass die sich von Person zu Person sehr stark unterscheiden können ist in meinen Augen ein kultureller Konflikt im Mikrokosmos oder so ähnlich (zum Beispiel wenn zwei Partner da verschieden gepolt sind – da kann man in Supermärkten und Discountern oft sehr lustige Schauspiele erleben/BEOBACHTEN, wenn Paare gemeinsam einkaufen gehen). Es gibt tausend Dinge, die solche Einkaufsgewohnheiten beeinflussen: Ist der Einkäufer motorisiert, umweltbewusst, befolgt er Diäten, bereitet er viele Speisen aus frischen Zutaten zu (z.B. weil er vom Land kommt und das Tradition hat), ist er arm oder reich, bewirtet er Gäste, kennt er fremde Landesküchen, lässt er sich von Werbefernsehen animieren oder von Sonderangeboten, probiert er prinzipiell gern Neues aus, etc.. Der Kühlschrankinhalt meiner Eltern z.B. unterscheidet sich deutlich von meinem. Meine Mutter würde Emmi Caffè Latte erst recht nicht kaufen, sie würde gar nicht bemerken, dass er im Supermarktregal überhaupt existiert, da sie dort nur ganz gezielt kauft, was sie sich vorgenommen hat. Letztens in Amsterdam hat sie sogar thematisiert, dass sie „so was sonst nie tun würde“, als sie uns auf meine Anregung zwei Coffee to go gekauft hat. Ich bin nämlich nicht grundsätzlich dagegen, ich nehme auch nie eine Thermoskanne mit, nach Amsterdam nicht und zur Schule auch nicht. Für die Zugfahrt fand ich das eben ganz angemessen, nicht aber ständig und vor der eigenen Haustür. Diese Haltung hat zahlreiche Gründe, aber die wichtigsten sind tatsächlich, dass ich glaube, dass alle in der Serie beschriebenen Produkte nur durch extremes Marketing in unser Leben gekommen sind und keiner die wirklich haben will bzw. braucht und, dass sie uns letztlich nur unangemessen viel Geld aus der Tasche ziehen und den Müllberg immens vergrößern. Wenn ich einen Joghurt essen möchte, dann esse ich einen Joghurt und nicht so ein kleines Minifläschchen und wenn es mir nicht gut geht, greife ich erst recht nicht zu dieser angeblichen Medizin.

1 Comments:

Blogger Prisemut said...

Petra,
nicht ungerecht werden:

Ich bin unbarmherzig und ihr?

Wir, wen immer du auch mit der 1.Person Plural meinst, denn ausser mir schreibt scheinbar keiner hier rein, den du nicht sofort persönlich zuordnen kannst - vielleicht als königliches "Wir", dann aber lieber das majestätische "Er", aber noch einmal:

Wir sind vielleicht (!!) ein kleines bischen unbarmherzig. Aber zumindest Er, also ich, finde dich nicht unbarmherzig. Er/Ich findet dich eher
selbstgerecht. Und viel zu unentspannt anderen Menschen gegenüber. Er hat das Gefühl, du kannst dich niemals wirklcih entspannen, und mal nicht auf jedes kleine Detail achten. Und Er hat irgendwie das Gefühl, dass das mit für deinen persönliche Partnersituation verantwortlich ist. Zu kritisch anderen gegenüber zu sein, das stösst auch ab - man merkt es doch als Gegenüber. Ich kann auch nicht genau beurteilen, wie du auf erkannte, zu kritisierende Details bei einer kennenzulernenden Person reagierst, (komischer Satz, ich hoffe, du verstehst, was ich meine) und ob du nicht auch Signale des Missfallens aussendest.

Aber natürlich auch das gewünschte lobende Wort:
Egal, wie sehr auch kritisiert wird, was du schreibst, es zeigt zumindest, dass es für andere interessant ist, und dass du scheinbar deine Persönlichkeit wirklich genau in deinem Blog widergibst. Das ist doch schon etwas, was man beileibe nicht von jedem Blog sagen kann.
Wenn du wirklich überwiegend Lob erwartet hast, solltest du echt noch mal überlegen, ob du dich und deine Ansichten im Vergleich zum Rest der Welt richtig siehst, wobei wir wieder bei meinem letzten Eintrag wären.

Und du brauchst die Gilmore Girls auch nicht verteidigen - das macht die Serie nicht besser, und wirkt ausserdem, als hätte man dich bei etwas ertappt, das du jetzt rechtfertigen musst. Aber vielleicht war es ja genau das - und dann passt es schon wieder zu dem, was ich letztens hier geschreiben habe.

Ach ja, du würdest dich wundern, wieviel und wielange ich arbeiten muss. Und das hat nix mit den Einträgen in Blogs zu tun. Die paar Zeilen schreibe ich schnell genug mit meiner Technik... und der "kostbare" Teil meiner Arbeit ist eigentlich schon getan, wenn ich was in den Rechner tippe. Sollte auch bei jeder intellektuell oder technisch anspruchsvollen Arbeit so sein. Schnell tippen kann schließlich jeder lernen, aber das zu Tippende erstmal im Kopf zu produzieren, darin liegt doch die Kunst.

10:32 PM  

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