Freitag, Juli 28, 2006

Amiland

Hatte ich erwähnt, dass besagter Eisenbahn-Informationsdingsda unmittelbar am Flughafen war? Nicht irgendwo in der Pampa ...

Also, ihr wollt vermutlich wissen, wie’s in Amiland war. Schön! Mir hat’s gefallen. Es war in vielerlei Hinsicht so wie ich es mir vorgestellt hatte. Also wenig Überraschungen! Vieles ist eben so wie zu Hause – schließlich waren wir ja im Osten, wo man z.B. auch zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut klar kommt. Vieles weiß man schon aus hunderten von Filmen, aus denen man teilweise jede Straßenecke kennt. Diese Woche z.B. habe ich einen Film gesehen, der größtenteils in Upper East Side Manhattan spielt. Ich hätte auch vorher schon vermutet zu wissen, dass es sich genau um dieses Viertel handeln muss.
Vielleicht sollte ich mal erwähnen, was mich überrascht hat ... mal nachdenken ...wie sauber NYC ist – von Paris kannte ich bereits die großen Bemühungen, das „Paris poubelle“-Image loszuwerden, aber auch dort verschwanden enorme Müllberge über Nacht von den Straßenrändern, die U-Bahnen schoben quasi keine Staubwelle vor sich her, obwohl es sehr heiß war ... die ganze Woche über war es in jeder einzelnen unterirdischen U-Bahnstation über 40°C (die Stationen in Harlem z.B., die überirdisch liegen, gelten ja wohl nicht ...). Gewundert hat mich, wie relativ niedrig die Preise in den Restaurants waren (zugegeben, in den teureren Läden waren wir natürlich erst gar nicht) und wie ungeheuer teuer Lebensmittel und Drogerieartikel dagegen waren. Okay, ich wusste, dass Milch, Butter und Zucker hier EU-bedingt preisgebunden sind und dieser Preis nichts, aber auch gar nichts mit dem Aufwand zu tun hat, den die Bauern für die Herstellung betreiben ... aber dass ein Quart, also weniger als ein Liter Milch 1,59$ kostet ... Schluck ... Nein, darüber hatte ich mir wirklich keine Gedanken gemacht.
Was mich weniger überrascht hat, aber vermutlich doch sehr untypisch ist, ist, dass wir tatsächlich zahlreiche kostenlose Veranstaltungen besucht haben. Uns Deutschen kommt das so vertraut vor, da es zumindest hier in einem Ballungsgebiet eine Vielzahl kostenloser kultureller Angebote gibt. Amerikaner aus der Provinz müssen für solches Reisen in die Metropolen auf sich nehmen und können dann nur staunen. Wir staunen viel weniger, weil wir das großstädtische Leben sowieso gewohnt sind und außerdem London, Berlin, Paris etc. kennen ... U-Bahn fahre ich z.B. ja täglich. Das ist also für mich nicht neu. Bei einer Beobachtung musste ich gelegentlich denken, dass ich eine Angewohnheit mit vielen Amerikanern gemeinsam habe: Gelegentlich kaufe ich an einer günstigen Döner-Bude in Schulnähe unser Mittagessen ein und steige dann damit in die Bahn. Das habe ich dort sehr häufig gesehen. Die Leute fuhren teilweise mit fünf Portionen Fertigessen in Plastiktüten nach Hause – und zwar nicht nur zwei drei Stationen, wie das bei mir hier zu Hause der Fall ist, sondern richtig weit. Fast Food ist ja tatsächlich auch so ein Thema. Mir war bewusst, dass McDonalds in den USA viel weniger präsent ist als hier ... aber mein Bild entsprach irgendwie nicht dem, was mich erwartete. Nicht dass es schockierend gewesen wäre, aber doch anders als erwartet. Vermutlich war ich nur zu naiv. Man muss sagen, dass ich Fertigessen gegenüber voreingenommen bin. Ich esse es, aber nicht sehr häufig. Auch da ist der Einfluss meiner Eltern (die sind doch auffällig heftige Überzeugungstäter, die wenige Kompromisse eingehen, wenn ich mal so recht darüber nachdenke) deutlich, die allerdings einen so großen Bogen um Fast Food machen, wie ich ihn dann doch für unangemessen halte. Mein Vater war ein einziges Mal bei McDoof und meine Mutter ein weiteres Mal, beide Male waren meine Kinder oder ich die Anstifter.
Wie war das also in den USA mit dem Fast Food? Das Bild von Menschen, die wo sie gehen und stehen einen Pappbecher mit Plastikdeckel in Händen halten, wie es amerikanische Filme vermitteln wurde absolut bestätigt. Das war aber nicht alles. Man sah abgepacktes Essen überall. In Parks, ob zur Mittagspause oder am Abend, die Business-Menschen hatten alle eine vollständige Mahlzeit in Styropor- oder Pappbehältern vor sich, aber auch außerhalb der großen Städte, überall, wo es schön war, wurden Berge von Essen angeschleppt, in Kühlboxen, so groß, wie sie hier überhaupt nicht erhältlich sind. Zunächst war ich nur beeindruckt von der Omnipräsenz dieses vielen Essens. Stellt sich die Frage, wie ich das finde. Zu meinem Urteil musste mir doch tatsächlich Meghan aus Portland verhelfen, die behauptete, ob in Frankreich oder Deutschland, überall habe man nur immer dieses fürchterliche Brot bekommen können. Und da hat sie Recht. Auch in England gibt es immer nur Lunchpakete auf Brotbasis. Mein letzter Aufenthalt in Frankreich im letzten September brachte mir ebenfalls jeden Mittag ein „Sandwich“, da mein Kollege abends zu Hause kochen wollte. Zwar hätten wir – vor allem mittags – überall gut und günstig speisen können, aber zum Mitnehmen, nur immer Brot. Und tatsächlich habe ich in den USA kein einziges Mal jemanden ein Butterbrot, Boterham, Sandwich auspacken sehen. Und ich muss sagen, dass die Auswahl an kompletten Gerichten phänomenal ist. Ich selbst bin ja essenstechnisch ein totaler Asienfan und dort voll auf meine Kosten gekommen. Andererseits frage ich mich, ob man denn wirklich bei jedem kulturellen Spektakel, das länger als eine Viertelstunde dauert, ob es nun ein Open-Air-Konzert oder –Kino oder nur ein ganz normaler Kinoabend ist, IMMER Nahrung zu sich nehmen muss. Speziell bei den Konzerten hat das Rascheln doch extrem gestört. Ach ja, Stich wort Konzerte: Chicago, Milleniumpark, die Sommerkonzerte sind absolut empfehlenswert. Super Ort, super Sound (mit einem ausgeklügelten System von sehr sehr vielen Boxen, die einen riesigen Platz so beschallen, dass kein Nachhall, also keine Verzögerung, entsteht). Eine Reise gezielt um dieses Festival herum zu terminieren, erscheint mir für Musikliebhaber durchaus sinnvoll. In unserem Fall war es ja reiner Zufall, dass das gerade lief. Hier der Link zum Festival: http://www.grantparkmusicfestival.com/
Was mich auch überrascht hat, war das Thema „Melting Pot“. Von den Orten, die wir gesehen haben, war eindeutig New York City der „Melting Pot“, denn an allen anderen Orten mischten sich die Rassen für unsere Wahrnehmung überhaupt nicht. Im Zoo von Chicago (Eintritt frei!!!) haben wir unter den Hunderten von Kindergruppen in jeweils gleichfarbigen T-Shirts kaum rassen-gemischte Gruppen gefunden. Die Gruppen vom (YWCA – weibliche Entsprechung des YMCA) hatten sogar so Slogans zum Thema Rassen-Integration aufgedruckt, aber gemischt waren auch die selten.
Nun sind Rassen ja nicht das einzige Merkmal für ein Zusammenschmelzen, auch unter Weißen kann man da so seine Beobachtungen machen. In Maine (sehr schön, auf jeden Fall empfehlenswert) z.B. sind die Menschen tendenziell sehr klein, da irischer und italienischer Abstammung, in Chicago hingegen muss man Rothaarige suchen, sie sind quasi nicht existent. Dafür erhält man dort den Beweis dafür, dass der Gen-Pool für blonde und sehr hellhäutige Menschen so schnell doch noch nicht ausgeschöpft ist. Von der Physiognomie der Menschen her, würde man meinen, man sei in Polen oder der Ukraine gelandet, kein Wunder, denn dort leben 2 Millionen Polnisch-Stämmige. Deutsch-, Baltisch- und Skandinavisch-Stämmige sind aber auch recht zahlreich. Wir wohnten zufällig sehr in der Nähe des deutschen Viertels. Da wir ja nun auch endlich eine ordentliche Kamera hier haben, könnte ich ja mal mehr Fotos einstellen. Von den Schildern der deutschen Geschäfte jedenfalls, habe ich einige Fotos gemacht.
Ja und ob wir tatsächlich bei wildfremden Menschen privat untergekommen sind, wollt ihr vermutlich auch wissen. Jaaaaa, das sind wir und weitere Unternehmung dieser Art werden gerade geplant (Polen und Schottland – wer Ideen hat, her damit). Wir waren in Portland/Maine und in Boston/Massachussets privat untergebracht. In Chicago hat eine Gastgeberin sehr kurzfristig einen Rückzieher gemacht. Den Hospitality Club halte ich weiterhin für eine super Idee. Ach übrigens haben sich mittlerweile bei mir erste mögliche Gäste gemeldet. Einer wollte gerne das Spiel Argentinien-Niederlande in Frankfurt sehen und dann bei mir absteigen, was sich wegen meiner damals knapp bevorstehenden Abreise nicht gerade anbot und einer möchte im September Orte aufsuchen, die er in den 80er-Jahren in einem Jugend-Camp kennen gelernt hat und kommt vermutlich nur auf einen Kaffee vorbei, um konkrete Tipps für Aktivitäten hier in der Nähe zu erhalten. Ich bin ja mal gespannt.
Zum Thema Englische Sprache könnte man ja auch noch was sagen. Einen Kaffee beim benachbarten Dunkin’ Donut zu bestellen, war z.B. ein großes Abenteuer, da dort Mexikanerinnen arbeiteten, die vielleicht 100 Wörter Englisch sprachen ... Nein, es ist schon schön, in ein Land zu reisen, dessen Sprache man mächtig ist. Aber auch da war ich gelegentlich doch überrascht. Zwar habe ich schon immer behauptet, Englisch sei im Detail sehr viel schwieriger als Französisch, da es dort sehr viel mehr Wortschatz gebe, während der Franzose in den verschiedensten Zusammenhängen immer wieder mit dem gleichen beschränkten Vokabular daher kommt, aber wie ungeheuer groß der Wortschatz ist, hat mich doch mal wieder erschlagen. Gut, das Buch, dessen Lektüre ich mir dort auferlegt habe, richtet sich sicherlich an recht gebildete Leser. Französischsprachige Zitate, die dort nicht selten auftauchen, werden erst gar nicht übersetzt. Der Leser muss sie schon selbst übersetzen oder verstehen ... aber zwischendurch habe ich meine arme Tochter dafür bemitleidet, dass sie der lateinischen Sprache nicht mächtig ist, so zahlreich waren die Lehnwörter lateinischen Etymons, nein, gemeint sind keine Entlehnungen aus dem Französischen, sondern echt lateinische Wörter. Das Verb „to ignite“ ist mir z.B. mehrfach über den Weg gelaufen (auch im Fernsehen, denn am Tag unserer Ankunft ist es genau in der von uns auch genutzten blauen Linie des el-Train, ER-Süchtigen wie mir natürlich bekannt, im unterirdischen Bereich zu einem Feuerausbruch gekommen, der zwei Tage lang die Chicagoer Medien beherrschte). .... Ich würde jetzt mal behaupten, dass ich das vorher noch nie gehört oder gelesen hatte. Würde mich mal interessieren, wie groß der Wortschatz eines Muttersprachlers mit mittlerem Bildungsabschluss ist ... ich könnte wetten, dass die bei PISA in Sachen Lesen auch nicht gerade den High Score geholt haben. Müsste man mal recherchieren ...