Sonntag, Juli 30, 2006

Dinge, die ich nie kaufen würde – Folge ? – oder meine Liebe zum Wochenmarkt

Nein, Leute die Emmi Caffè Latte kaufen, sind nicht unbedingt doof, aber ich würde das Zeug halt nie kaufen. Ich fühle mich da von Werbung und Herstellern tatsächlich verarscht und frage mich tatsächlich, wie weit es mit unserer Gesellschaft gekommen ist, wenn wir soooo viele Produkte dieser Art haben. Die Mehrzahl dieser Produkte floppt ja dann allerdings auch, weshalb die großen Marken ja auch ständig damit argumentieren, dass sie wegen der hohen Kosten in Sachen Produktentwicklung und Markteinführung all ihre Produkte so teuer verkaufen müssen. Auch ein wirklich gutes Produkt muss natürlich durch eine solche Markteinführung und floppt möglicherweise zunächst, bis es vielleicht auf einem einzelnen nationalen Markt oder sonst irgendeiner Nische Erflog hat und von dort aus möglicherweise seinen Siegeszug antritt ...
Als ich diese Serie hier anfing, wollte ich irgendwie darstellen, wie ich einkaufstechnisch geprägt bin. Meine konkrete Variante des kritischen Konsumenten. Da tritt eine Prägung zu Tage, aus einer Familie, die sich auch als bewusst oder kritisch konsumierend sieht. Ein wesentlicher Unterschied, der sich beim Caffè Latte zeigt, ist der, dass meine Mutter z.B. gar nicht weiß, dass es so was überhaupt gibt. Zwar kauft sie immer in einem gut sortierten Supermarkt ein (kein Discounter), aber sie nimmt nur Dinge wahr, die sie auch sucht. Es wird wirklich keinerlei Firlefanz gekauft, aus Überzeugung UND weil sie weder die Werbung noch die neuen Produkte selbst auf den Sonderständen und in den Regalen wahrnimmt. Bei mir ist das anders. Ich sehe sie und frage mich, ob ich das brauche. Irgend so einen Oxy-Reiniger habe ich dann irgendwann tatsächlich gekauft, als er für einen Euro zu haben war. Ein Qualitätsurteil kann ich darüber aber noch nicht fällen.
Werbung ist ja nun mal ein Teil unseres Lebens. Ich glaube, dass es für meine Generation typisch ist, dass wir sie immer schon sehr bewusst wahrgenommen haben. Mein Bruder und ich haben z.B. auch häufig das Werbespot-Produkt-Ratespiel gespielt. Er verdient ja heute tatsächlich auch sein Geld mit Werbung, aber Steffi und ich, um nur ein Beispiel zu nennen, haben uns auch immer für das Thema interessiert. Werbesprache war eines unserer Prüfungsthemen in französischer Linguistik. Jetzt, da ich nach Jahren mal wieder eine besondere französische Käsemarke im Kühlschrank habe, da es die auf dem Markt recht günstig gab, fällt mir dazu ein Klassiker ein „Du pain, du vin, du Boursin, on n’a jamais fait aussi bien.“. Womit wir wieder beim Thema Brot vom letzten Post wären ...
In Frankreich muss es ja bekanntlich weißes Brot sein, welches das Volk sich in der Revolution erkämpfen musste ...
Wieso ich heute wieder auf dieses bekloppte Thema komme? Weil der aktuelle E d e k a-Prospekt (ja, eigentlich lese ich die sowieso nicht mehr – sind halt Ferien ...) so unsäglich ungeschickt wirbt, wie ich finde. Es fängt schon damit an, dass auf der Titelseite die Deutschland-Tour 2006 beworben wird („Sieger tragen gelb.“), wo doch im Moment die Welt auf den Radsport recht schlecht zu sprechen ist ... und dann ist natürlich neben besagtem Milchkaffee (wie gehabt 0,99€) auch wieder die „Fruchtparty“ im Angebot (150g Schale 2,49€, 100g = 1,66€) – übrigens in der Rubrik „fix & fertig – für Sie frisch zubereitet!“. Darunter außerdem Wassermelonen-Scheiben (was man neuerdings auch in solchen Prospekten merkwürdigerweise ohne Bindestrich schreibt), zum ungeheuer günstigen Preis von 1,99€ für 300g, also 6.63€/kg. Der Hammer sind allerdings fertige vegetarische Schaschlik-Spieße, 2 Stück für 2,49€. Ein solcher Spieß enthält laut Abbildung drei Scheiben Aubergine und je zwei Cocktailtomaten, Zucchini- und gelbe Paprikascheiben. Das können die ja meinetwegen so teuer verkaufen wie sie wollen, aber muss man das auch noch bewerben, dass der Konsument in buntem Druck quasi Schwarz auf Weiß lesen kann, wie er sein Geld das Klo runter spülen soll ????
Ist alles nur ein Beispiel und nicht wirklich wichtig, aber vielleicht eben doch symptomatisch?
Nun ja, ganz ohne Werbung geht es nun mal auch nicht. Man kann und soll ruhig einen großen Teil der auf den Menschen einprasselnden Werbung abperlen lassen, aber gelegentlich enthält Werbung ja interessante Informationen und manches würde ich gar als künstlerisch wertvoll bezeichnen. Wichtige Informationen sehe ich z.B. in den neuesten Angeboten der Telekommunikation. Da ist ständig was in Bewegung und das Hingucken lohnt sich (will sagen, dass sich das im Portemonnaie sehen lässt). Die Sache mit den Stromanbietern scheint auch nicht ganz uninteressant (der hiesige ehemalige Monopolist wirbt übrigens neuerdings mit Kino-Spots, die echte Heimatgefühle ansprechen ... erstaunlich gut gemacht, wie ich finde).
Wie kaufe ich also ein? Ist bei mir tatsächlich alles kritisch und fürchterlich durchdacht, möglicherweise ökologisch korrekt? Dreimal Nein. Mein Kaufverhalten ist ganz erheblich über den Preis definiert. Symptomatisch für große Teile meiner Generation ist möglicherweise tatsächlich die Tatsache, dass ich mein Kaufverhalten sehr schnell verändere und nur wenige Traditionen pflege, wie z.B. jede Woche beim gleichen Metzger kaufen etc. Einen Laden mit gutem Sortiment, hoher Qualität oder besonders freundlicher und fachmännischer Beratung zu unterstützen, wäre für mich zwar ein Argument, letztlich praktiziere ich das aber selten. Die Ausnahme ist für mich tatsächlich der Wochenmarkt und dort vor allem derjenige, der in Arbeiterstadtteilen stattfindet. Dort kann man tatsächlich pfiffige und freundliche Unternehmer konkret unterstützen und wirft nicht irgendwelchen Ketten, die möglicherweise noch Aktiengesellschaften (es mag ja Spaß machen, sein Geld an der Börse zu verdienen, dennoch ist mir da viel zu viel Image und heiße Luft im Spiel ... da ich eh kein Geld über habe, das ich dort investieren könnte, interessiert mich das wenig ...) sind, das Geld in den Rachen. Mir gefällt es, am Samstag bei Sonnenschein (kalt darf es dabei ruhig sein, stürmisch auch ...) über den Markt zu schlendern und meine Wahl zu treffen. Die Hemmschwelle Ladentür besteht nicht und man ist sofort mittendrin. Auch finanziere ich keine horrenden Ladenmieten und freundliche hübsch gestylte Verkäuferinnen mit, die die halbe Woche lang nur dumm rumstehen. Ich finde es klasse, hochwertigen Käse zu kaufen, der möglicherweise dem Haltbarkeitsdatum gefährlich nahe kommt, oder Überproduktionen an T-Shirts zu kaufen, die genau so aktuell wie im Laden sind.

Eine Einkaufsstrategie, die von Ökos immer wieder propagiert wird, ist ja die, am Trend vorbei zu kaufen, also z.B. einen sehr eigenen Stil zu haben, wodurch man für Artikel des Massenkonsums wenig anfällig ist. Die totale Energieverschwendung liege nämlich ganz extrem im Bereich der Artikel, die plötzlich jedermann haben wolle. Angeblich wird diese Spirale beim Kauf von Überproduktionen gerade nicht angekurbelt, da die Produktion lediglich für den Erstmarkt angekurbelt wird. Niemand würde Artikel eigens dafür produzieren, dass sie nachher zum Schleuderpreis auf irgendwelchen Märkten landet. Nun behaupte ich nicht, dass dieser ökologische Gesichtspunkt meine Haupt-Triebfeder wäre. Ich möchte lediglich zeigen, dass auch unter ökologischen Gesichtspunkten nicht alles an meinem Kaufverhalten schlecht ist.
Also kurz und gut: Ich liebe Wochenmärkte. Gestern war z.B. mal wieder ein richtig guter Wochenmarkttag. Ein Händler hat wieder palettenweise Pflanzen verschenkt, die nicht mehr so ganz top waren. Ich war nicht die einzige, die dreißig Pflanzen mitgenommen hat. Entsprechend oft musste ich zum Auto laufen!!! Wenn ihr also demnächst von mir einen Terracottatopf mit irgendwelchen Blühpflanzen als Mitbringsel bekommt, dann handelt es sich möglicherweise um ein (hochgepäppeltes?) Pflänzchen aus dieser Charge.
Wo wir also beim Thema Einkaufen sind, muss ich wohl doch noch ein paar Worte zu den Discountern sagen. A l d i hat sich ja nun schon seit einigen Jahren den Spitzenplatz am Lebensmittelmarkt erkämpft. Kein Mensch rümpft mehr die Nase über A l d i-Einkäufe und nur wenige Menschen kaufen dort nicht wenigstens gelegentlich mal ein. Wie das aber so ist mit Marktführern, die nutzen ihr Beinahe-Monopol mächtig aus. Bei A l d i ist nicht alles günstig!!! Vor allem Obst, Gemüse und Nonfood nicht. Außerdem gibt es einige wenige Artikel, die nicht so wunderbar hochwertig sind, wie manch einer meint. Wer keine Lust auf Preisvergleiche hat, kann natürlich sicher gehen, dass er vergleichsweise günstig wegkommt, aber Vorsicht!!! Das Obst- und Gemüseangebot ist superfrisch, aber recht spärlich in der Auswahl und nicht günstig. Schlimm ist derzeit das Thema Salat (hat jemand letztens den Artikel über Deutschlands größten Salat-Produzenten in der Zeit gelesen? Sehr interessant!). A l d i wie H und M wollten ja offensichtlich eine hohe Marktabdeckung, was sie mittlerweile erreicht haben. Damit einher geht, dass nicht jede Filiale unbedingt Gewinne bringt. Die hier jeweils nächstgelegenen Filialen der beiden Ketten gehören sicherlich nicht zu den Gewinnbringern, deshalb lässt es sich dort auch angenehm entspannt einkaufen. Die Bedienung jedenfalls ist immer freundlich, was man bei den „gut sortierten“ Supermärkten nicht gerade sagen kann. Was mich an A l d i, L i d l und S c h l e c k e r stört, ist die superschlechte Presse, die sie haben, nur weil sie (mehr oder weniger geschickt) die Personalmitbestimmung unterwandern. Mich, als ökonomischen Laien, wundert das. Lohnt es sich, das auch weiterhin durchzuziehen, wenn man dafür solch eine schlechte Presse bekommt? Ich kaufe dort recht gerne ein, weil die Preise vergleichsweise gut sind und man dort immer freundlich behandelt wird (anderswo ist es teuer und man bekommt allzu häufig nicht mal die Tageszeit genannt!!! Und dieses Schneckentempo bei der Arbeit – kann doch nicht wirklich sein, dass wir das auch noch fördern wollen! Da frage ich mich doch wirklich, was los ist mit unserer Gesellschaft ...), aber wenn ich wüsste, dass in Sachen Mitbestimmung dort alles normal liefe, fände ich das doch beruhigender.
Fragt sich, warum ich das hier schreibe? Weil mir meine Art Einzukaufen Spaß macht. Es ist nicht mein größtes Hobby, aber einkaufen muss man nun mal und es ist schön, wenn es dann Freude bereitet. Außerdem glaube ich, dass der eine oder andere Tipp hier für einige Leute interessant sein könnte. Schließlich glaube ich tatsächlich, dass der Kunde so einiges in der Hand hat und sich überlegen darf, wo er sein Geld lässt. Wie unser Markt aussieht, bestimmen wir selber, gerade zu einer Zeit wo Liberalisierung der Märkte des Größte zu sein scheint.
Ach übrigens, eine Kette, die ich immer schon recht merkwürdig und wenig ansprechend fand, obwohl ich eigentlich immer in der Nähe einer Filiale gewohnt habe, ist P l u s. Gestern erst ging durch die Presse, man wolle Nummer drei am Markt werden und werde nun viel in die Umgestaltung der Märkte investieren. Na, da bin ich ja mal mächtig gespannt. Skeptisch bin ich allein schon deshalb, weil ich noch in kaum einer Filiale eine freundliche Kassiererin mit etwas Ausstrahlung erlebt hätte. Eine jahrzehntelange Tradition in Unternehmenskultur lässt sich nun mal nicht so schnell aufbrechen.
Ach ja, gestern habe ich am Käsestand die Verkäuferin getroffen, die mich schon in meiner Kindheit immer bedient hat. Schöne Grüße an die Eltern (ich habe vom Amerikaurlaub erzählt und sie von Reisen durch Namibia, hört sich echt nicht schlecht an). Am gleichen Stand begrüßte mich der Kollege am „Wühltisch“ mit der abgepackten Ware der Verkäufer mit den Worten „lange nicht gesehen“, berichtete mir, dass er neuerdings an der Fern-Uni Hagen Wirtschaftswissenschaften studiere, da man den Geist ja immer rege halten müsse, zeigte mir den Studi-Ausweis und später sprachen wir darüber, dass man auf dem Markt so wunderbare Studien treiben könne ... Jaaaa, Markt ist klasse!!!! Und eine gewisse Treue zu guten Händlern ist auch mir nicht fremd.