Samstag, Februar 04, 2006

Koordination – Feinmotorik – Kulturtechniken – Folge 1 - Allgemeines

Teile dieses Beitrags könnten auch in der Serie „Beobachtungen“ erscheinen, ich möchte das Thema aber hier mal im Zusammenhang beleuchten.
Seit ich U-Bahn fahre und zwischen den Stationen dann folglich zu Fuß unterwegs bin, habe ich noch mal mehr Gelegenheiten, Menschen zu beobachten. Beim Einkaufen, im Sportverein, in Restaurant oder Mensa und in der Schule aber bot sich mir eigentlich schon immer viel Beobachtungsmaterial.
Ich finde es erschreckend, wie viele Leute nicht normal einen Fuß vor den anderen setzen, Sprachfehler haben oder das Besteck oder ein Schreibgerät halten, als hielten sie einen riesigen Löffel, mit dem sie einen großen Topf Gulasch oder Latexfarbe umrühren müssen.
Ja merkt denn überhaupt noch jemand etwas? In der Schule versuche ich nicht überheblich zu sein und Schüler speziell auf die falsche Haltung des Stifts hinzuweisen. Meist erzähle ich dann die Geschichte von einer Freundin, die sich bei mir dafür bedankt hat, dass ich sie darauf aufmerksam gemacht habe, da sie schon aus lauter Verzweiflung ihr Tagebuch per Computer führte, nachdem sie sonst immer schon nach kurzer Zeit einen Krampf in der Hand bekommen hatte.
Aber jetzt mal ganz im Ernst. Da wundern wir uns, dass wir für bestimmte geringer qualifizierte Berufe keine geeigneten Leute mehr finden. Mich wundert das nicht. Mal ganz abgesehen von Leistungssport, den man natürlich nicht betreiben kann, wenn man watschelt wie eine Ente, wie wollen wir jemandem beibringen, beispielsweise als Zahntechniker, Elektroniker oder Uhrmacher zu arbeiten, der nicht mal einen Stift ordentlich halten kann?
Ich habe schon mal überlegt, das Thema im größeren Kollegenkreis, z.B. in einer Konferenz anzusprechen, aber ich habe gleich mehrere Kollegen, die Stifte ähnlich halten. Eine Kollegin klemmt den Stift doch tatsächlich zwischen kleinen Finger und Ringfinger und führt ihn mit dem Daumen!!!!! Da ist also sicherlich Behutsamkeit angesagt – etwas getan werden muss aber in jedem Fall.
Dieser Beitrag könnte natürlich auch unter einer ganz anderen Überschrift erscheinen. Im Zusammenhang der Bedeutung der frühkindlichen Förderung und der Bildungskrise könnten die feinmotorischen Defizite ein Thema sein, der komplette Bereich, ließe sich aber auch im kulturellen Vergleich betrachten. Ich habe nämlich zwei Beobachtungen gemacht: Die watschelnden, lispelnden Personen kommen häufig aus der „eingeborenen“ Unterschicht, sind also selten Ausländer. Anders ist das mit der Kulturtechnik „Tischkultur“, wo Menschen aus anderen Ethnien andere Gewohnheiten haben. Russische und polnische Schüler haben sich da von mir gerne freundlich belehren lassen und waren durchaus dankbar für die Hinweise.

2 Comments:

Blogger Petra said...

Ist wie mit dem Tippen, kann man ändern! Ist vermutlich noch leichter zu lernen, denn auch Tippen lernen ist nicht so schlimm, da man es ja dann im Internet fleißig üben, anwenden und verbessern kann. Ich kann mich erinnern, dass ich mit 16 bemerkt habe, dass andere Menschen die Gabel beim Schneiden von Fleisch "vornehmer" hielten als ich, worauf hin ich mich da auch umtrainiert habe.
Viele gesellschaftliche Aufsteiger müssen im Erwachsenenalter Tischmanieren lernen. Ich muss ja ganz offensichtlich lernen, "normale" Gespräche, vor allem mit dir zu führen. So können wir uns doch auch im hohen Alter noch gewissen (Lern-)Aufgaben stellen, oder? Was meinst du?

10:40 PM  
Anonymous Anonym said...

Also, ich möchte diesen Eintrag von dir mal rausnehmen, um Gefühle oder Gedanken loszuwerden, das ich beim Lesen deines blogs immer mal wieder hatte...
Ich würde dir das wohl gar nicht mitteilen, wenn du nicht ausdrücklich betonen würdest, dass es dir um Austausch, Kommunikation, Feedback etc. geht.
Also, ich finde dich wirklich außerordentlich kritisch!!
Du erscheinst mir manchmal so unbarmherzig mit Menschen (nahen und fremden Menschen). Sie kleiden sich geschmacklos, geben zu viel Geld für Unsinn aus, haben keinen Sinn für Ästhetik, halten den Stift falsch, führen beschissenen Beziehungen, sind unsensibel, machen die falschen Geschenke.... Ich gehöre sicherlich auch zu der Familie der kritischen Geister, ja! Und ich finde im Prinzip nichts falsch daran, kritisch zu sein. Und auch nicht, hohe Erwartungen zu haben. Ich bin absolut für den Erhalt von Sprache, Kulturtechniken, Geschmack und Stil und was weiß ich.
Und dennoch habe ich beim Lesen manchmal ein ungutes Gefühl....
Liegt es an der von mir wahrgenommenen Unbarmherzigkeit? Oder daran, dass du so viele Kritikpunkte hast? Oder liegt es daran, dass ich so selten auch mal Selbstkritisches rauslese? Dass ich das Gefühl habe, du machst das Genannte alles besser? Oder du weißt, wie es "richtig" geht?
Am Beispiel 'Stift halten':
Ich meine, mir als Ergotherapeutin ist auch klar, dass Koordination und Feinmotorik in unserer Zeit problematisch sind und es immer mehr werden. Aber ist nicht vielmehr entscheidend, wie die daraus entstandene Schrift aussieht? Ob die zu lesen ist? Wer sagt, wie es "richtig" ist, den Stift zu halten??
Und hast du dich mal gefragt, warum du schon als Kind und Jugendliche viel abgeschaut hast und versucht hast es "richtig" und "gut" zu machen??
Darf man in deiner Welt auch Fehler machen? Geht es um Perfektionismus?
Und könntest du die Menschen um dich herum nicht etwas milder und liebevoller wahrnehmen, wenn du selbst mit dir und deinem Leben zufriedener wärst??
(Dies ist jetzt bewußt provokativ gefragt! Ich möchte dich nicht verletzen. Ich kenne oben genanntes auch von mir selbst.)
Würde mich über eine Reaktion freuen...

12:17 AM  

Kommentar veröffentlichen

<< Home