Samstag, Februar 04, 2006

Koordination – Feinmotorik – Kulturtechniken – Folge 2 – der „kaputte Stuhl“

Mein Vater wird sich möglicherweise köstlich amüsieren, wenn er das hier liest. Denn da hat er mir tatsächlich etwas eingepflanzt, was ich nicht vergessen werde: die Tischkultur.
Ich kann mich übrigens nicht erinnern, dass ich meine Kinder jemals belehrt hätte, wie man sich bei Tisch zu benehmen hätte, sondern denke, dass hier wie so oft wichtiger war, Vorbilder zu haben. Meine Kinder haben noch nie Probleme gehabt, das Besteck zu halten und wenn sie mit einer Hand aßen, wäre nie jemandem eingefallen, die freie Hand nicht auf dem Tisch liegen zu haben. Selbst ohne Vorbild würde ich denken, merkt ein normaler Mensch doch, dass man sonst dazu neigt, sich immer tiefer über den Teller zu beugen. Auch kann ich mich nicht erinnern, dass jemals jemand den Ellbogen auf dem Tisch hatte oder ihn auch nur ansatzweise auf Schulterhöhe angehoben hätte, um mit der Gabel ein besonders zähes Stück Fleisch zu fixieren.
Als ich häufiger mal bei meiner Freundin Andrea speiste, wurde das Benehmen bei Tisch erstmals seit meiner Kindheit wieder zum Thema gemacht. Dort wird gerne gesagt, jemand habe wohl „den kaputten Stuhl“, um dezent darauf hinzuweisen, dass es ja sonst keinen Grund gebe, warum er die linke Hand unter dem Tisch habe ...
Ich selbst habe diesen Spruch, seit ich ihn kenne, drei Mal selbst geäußert und beim letzten Mal ist mir erstens aufgefallen, dass die angesprochene Person sehr irritiert war und zweitens, dass ich von „kaputten Stühlen“ nur so umzingelt war, also anscheinend ich die einzige war, die so etwas stört?! Ist das so? Merkt das keiner? Interessiert das keinen? Ist es tatsächlich okay, wenn ich während eines mehrgängigen Essens, die ganze Zeit einen Arm auf dem Schoß liegen habe und mich bedrohlich tief über den Teller beuge, weil ich es auch nicht für notwendig halte, meinen Stuhl etwas näher an den Tisch zu rücken? Also, lieber Vater, bei mir hättest du so'was immer kommentiert ... komisch, bei anderen bleibst du stumm.
Ach ja! Noch etwas: Gestern las ich in der Zeitung von einem von einer hiesigen Realschule veranstalteten Benimm-Kurs, dessen Höhepunkt ein 5-Gänge-Menü darstellte. Wofür so etwas Aufgesetztes, wenn unsere Kinder das auch so ganz nebenbei lernen können?
Und noch etwas: Mein Sohn empört sich regelmäßig über Tischmanieren und diskutiert mit seinem Freund Lutz häufiger darüber. Der nämlich scheint die Manieren nicht mit der Muttermilch mitbekommen zu haben und ist nun ganz erpicht darauf, auch möglichst immer alles richtig zu machen (und ein Mann von Welt zu werden). Wir hatten schon häufiger Diskussionen über die korrekte Weintemperatur und über schlechten Service in Restaurants.

1 Comments:

Blogger SONNTAGSKIND said...

Ganz ehrlich, ich denke ab und zu mal meinen Ellenbogen auf dem Tisch vergessen zu haben, wenn niemand mit einem spricht (denn mikt meinem Opa darf man ja nicht reden, schliesslich isst er), wird einem schon aml langweilig, Aber Gott sei Dank, konnte mein Opa mir immer schnell genug klarmachen dass das keine Manieren sind, also ein wenig Belehrung haben deine Kinder auch abbekommen!
Uebrigens auch von ihrem Vater, da hat deine TYochter eine ganz unfaire Erinnerung, dieses dumme Stueck Fleisch war einfach zuuu zaeh!

9:11 PM  

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